Feature

Das Rückgrat der Wasserstoffwirtschaft

Sauberer Wasserstoff ist ein entscheidender Baustein für die Energiewende und für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft braucht Deutschland Speicherkapazitäten. Das g-Magazin hat mit zwei Experten darüber gesprochen, wo wir stehen, was gut läuft – und was weniger gut.

W

Wenn es um sein Lieblingsthema geht, macht niemand Doug Waters etwas vor, schließlich ist er seit rund 30 Jahren Weltreisender in Sachen Energie. Und das ist wörtlich gemeint: Der Brite Waters hat in Spanien gearbeitet, in Großbritannien, Indien und im Nahen Osten. Seit gut zehn Jahren ist Deutschland sein Zuhause, seit November 2020 leitet er Uniper Energy Storage, einen der größten Gasspeicherbetreiber Europas.

Uniper bietet in Deutschland ca. 60 TWh Arbeitsgaskapazität in unterirdischen Gasspeichern an – damit ist das Unternehmen Marktführer. Ein wichtiges Thema für Waters: die Speicherung von Wasserstoff, denn auch hier muss sehr schnell sehr viel geschehen, wenn Deutschland seine ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele erreichen will. „Mit unseren Projekten wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, in Deutschland Industrien zu dekarbonisieren und die Energieversorgung auch in Zeiten sicherzustellen, wenn Wind und Sonne ausfallen“, sagt Waters.

Kavernenspeicher im Norden, Porenspeicher im Süden

Die genannten Projekte sind Hydrogen Pilot Cavern Krummhörn in Ostfriesland nahe der Grenze zu den Niederlanden und HyStorage rund 800 Kilometer südöstlich in Bierwang bei München gelegen. Diese Nord-Süd-Achse ist kein Zufall, denn in Krummhörn forscht Uniper an einem der Kavernenspeicher, die größtenteils im Nordwesten des Landes zu finden sind, bei HyStorage handelt es sich um ein Porenspeicherprojekt, bei dem Wasserstoff oftmals in ausgeförderten Gas- und Öllagerstätten gespeichert wird. Bei beiden Piloten wurden schnell Fortschritte gemacht: „Die ersten Ergebnisse von HyStorage stimmen mich optimistisch, und bei Krummhörn hoffe ich, dass wir noch dieses Jahr damit beginnen, Wasserstoff in die Kaverne zu injizieren“, so Waters.

Kaverne vs. Porenspeicher

Zwei Arten von Speichern kommen für die künftige Einlagerung von Wasserstoff infrage. Jede von ihnen eignet sich jeweils besonders gut für einen ganz bestimmten Zweck.

Porenspeicher

Kalk- und Sandsteinschichten sind natürliche Lagerstätten für förderfähiges Erdgas. Nach Förderende kann das Gestein als Speicher genutzt werden, indem es in seinen Poren Gas aufnimmt wie etwa ein Schwamm Wasser. Das gespeicherte Gas verteilt sich in Porenspeichern weiträumig, die Lagerung geschieht unter vergleichsweise geringem Druck mit der Folge einer langsamen Ausspeicherung. Gut geeignet für saisonale Ausgleichszwecke.

Kavernenspeicher

Die mittels Bohrung und Aussolung künstlich angelegten Hohlräume in unterirdischen Salzstöcken können bis zu hundert Meter breit und bis zu 500 Meter hoch sein. Sie nehmen große Volumina an Gas auf, das dort unter hohem Druck eingelagert wird. Dank der großen Verdichtung im Kavernenspeicher können binnen kurzer Zeit große Gasmengen eingespeichert oder wieder ausgespeichert werden. Gut geeignet zum Abdecken von Bedarfsspitzen.

Ob mit Kavernen- oder Porenspeichern: Uniper will bis zu 600 GWh Wasserstoffspeicherkapazität zur Verfügung stellen. Bis Ende der 2030er-Jahre. Nicht mehr viel Zeit, wie Waters betont. Wie überhaupt alles ein wenig zu langsam vorangehe beim Wasserstoffhochlauf: „Das Problem ist, dass es fünf bis zehn Jahre dauert, eine Speicherstätte zu bauen.“ Solange es aber keine Planungssicherheit gebe – Stichwort Henne-Ei-Problem, also: kein Angebot ohne Nachfrage und andersherum –, würde sich alles weiter verzögern. Der Brite rät dazu, den Blick auch mal ins Ausland zu richten, zum Beispiel in Richtung seiner Heimat: „Dort schafft die Politik Investitionsanreize für Speicherangebote – eine Strategie, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Mitte April 2025 veröffentlichten Weißbuch zur Wasserstoffspeicherung abgelehnt hatte. Die Branche hatte dagegen mit Differenzverträgen und einer späteren Umlagenfinanzierung ein konkretes Konzept für den Aufbau von Wasserstoffspeicherkapazitäten vorgeschlagen, bei dem beide Parteien die Risiken, die sie kontrollieren können, selbst tragen. In diesem Fall liefert das Speicherunternehmen ein Projekt termingerecht und innerhalb des Budgets auf dem erforderlichen Leistungsniveau, während der Staat das Tempo und die Entwicklung der Energiewende steuert. „Das kann nach unserer Überzeugung einen bedeutenden Beitrag zum Wasserstoffhochlauf in Deutschland leisten“, sagt Waters.

Für Waters geht es darum, dass Deutschland seine gute Ausgangsposition nicht verspielt, denn heute stehe man im internationalen Vergleich sehr gut da. Weltweit gebe es nur in den USA große kommerzielle Wasserstoffspeicherprojekte; und sogar aus Australien seien Fachleute zu Uniper gekommen, um sich zeigen zu lassen, wie man dort mit Porenspeichern vorankommt. Doch es ist nicht nur die Expertise, die in Deutschland reichlich vorhanden ist, das Land hat einen weiteren Vorteil: seine Lage. „Es gibt unterirdische, zusammenhängende Salzlagerstätten, die von Irland über Großbritannien und Holland nach Norddeutschland und dann weiter nach Polen reichen“, so Waters. Und Deutschland hat von allen diesen Ländern wohl die beste Salzreserve und damit das größte Speicherpotenzial. Dazu kommt noch die zentrale Position mitten in Europa. Deutschland ist nicht nur Speicher-, sondern auch Transitland.

So entsteht ein Kavernenspeicher

In Krummhörn hat Uniper einen Kavernenspeicher für Wasserstoff angelegt – zunächst zu Testzwecken. Der Speicher kann bis zu 3.000 Kubikmeter H2 einlagern.

Das Projekt HPC Krummhörn

Im Projekt HPC Krummhörn erprobt Uniper die Errichtung und den Betrieb eines Salzkavernenspeichers für Wasserstoff. Dafür nutzte das Unternehmen eine bestehende Bohrung, um zunächst einen Hohlraum mit einem Volumen von rund 3.000 m3 auszusolen. Anschließend wurden die soltechnisch erforderlichen Installationen eingebaut und die Kaverne mehreren Dichtheitstests unterzogen. Erst dann wurde erstmalig Wasserstoff in die Kaverne geleitet. Das Gas verdrängte die bis dahin noch in der Kaverne verbliebene restliche Sole, die über einen Soleentleerungsstrang nach oben befördert wurde. 2024 ging der Wasserstofftestspeicher in Betrieb.

Die Politik muss ihren Beitrag leisten

Ähnlich wie Doug Waters ist auch Hans-Joachim Polk seit über 30 Jahren in der internationalen Energiewirtschaft zu Hause. Bevor er als Vorstand Infrastruktur und Technik bei der VNG seine berufliche Heimat gefunden hat, war Polk unter anderem in Ägypten und Norwegen tätig. Jetzt ist er bei dem Leipziger Energieunternehmen auch für das Thema Wasserstoff zuständig. Er schätzt die Situation ganz ähnlich ein wie sein Uniper-Kollege. „Deutschland hat beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft wichtige Grundlagen geschaffen“, sagt er, „aber wir stehen noch am Anfang. Die Wertschöpfungskette muss erst aufgebaut und hochskaliert werden.“

Was die VNG dazu beiträgt, sieht man zum Beispiel in der Nähe von Leipzig. Der Energiepark Bad Lauchstädt (EBL) ist bundesweit eines von 20 von der Bundesregierung als Reallabor der Energiewende ausgezeichnetes Projekt. „Ein Leuchtturmprojekt“, nennt es Polk, wo schon sehr bald grüner Wasserstoff erzeugt, gespeichert, transportiert und verbraucht werden solle.

Die Rolle von Speichern für die Wertschöpfungskette Wasserstoff dürfe man keinesfalls unterschätzen, so Polk: „Wasserstoffspeicher sind das Rückgrat der Wasserstoffwirtschaft. Sie ermöglichen die strukturierte und systemische Integration von Wasserstoff in das Energiesystem.“ Ohne Speicher sei eine skalierbare, stabile und sektorübergreifende Nutzung von Wasserstoff nicht denkbar.

Wie Waters sieht auch Polk die Politik in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Denn Wasserstoff sei eine Notwendigkeit, aber es scheitere bislang an regulatorischen, wirtschaftlichen und planerischen Hürden: „Ohne gezielte politische Maßnahmen, klare Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize droht eine kritische Lücke in der Infrastruktur“, sagt Polk. Unter anderem müssten die Wasserstoffgestehungskosten reduziert werden, um die Zahlungslücke zwischen Angebot und Nachfrage zu verringern. „Damit kommen wir der Investitionssicherheit ein Stück näher“, so Polk. Eine Abschaffung der Netzentgeltbefreiung für Elektrolyseure, wie sie die Bundesnetzagentur aktuell zur Diskussion stellt, hält Polt vor diesem Hintergrund für schädlich.

Auf EU-Ebene sei es wichtig, die Strombezugskriterien für grünen Wasserstoff, insbesondere die Anforderungen an Zusätzlichkeit sowie zeitliche und geografische Korrelation, pragmatisch anzupassen. Ansonsten leide auch hier wieder die Wirtschaftlichkeit der Wasserstoff-Erzeugungsprojekte.

Darüber hinaus müssten die Vorgaben für den Import und die Herstellung von kohlenstoffarmem Wasserstoff ebenfalls pragmatisch ausgestaltet werden, damit Investitionen möglich sind. Zu hohe CO2-Grenzwerte für kohlenstoffarmen Wasserstoff würden den gesamten Wasserstoffhochlauf bremsen, wenn nicht sogar verhindern.

Wasserstoffhochlauf als Herzensthema

Ob im „Reallabor“ tatsächlich wie geplant ein Kavernenspeicher entsteht, ist zurzeit noch nicht gesichert. Die Speichertochter der VNG, die VNG Gasspeicher GmbH, führt aktuell Tests und erste vorbereitende Arbeiten durch, um die Erfolgsaussichten zu evaluieren. Sollten diese erfolgreich sein, gibt es bereits eine Kaverne, die als zukünftiger Wasserstoffspeicher vorgesehen ist. „Allerdings“, so Polk abschließend, „geht das nur, wenn wir die Anlagen beziehungsweise Speicher wirtschaftlich betreiben können.“

Hans-Joachim Polk hat mehr als einmal gesagt, dass der Wasserstoffhochlauf und die Verwendung grüner Gase seine Herzensthemen seien. Und wer mit ihm oder Doug Waters spricht, merkt, wie sehr sie beide für das Thema Wasserstoff brennen – wie sehr sie aber auch immer wieder ausgebremst werden. Der Weg zur Klimaneutralität mag noch ein weiter sein – aber wenn Politik und Wirtschaft eng zusammenarbeiten, werden gemeinsam Lösungen gefunden, um den Wasserstoffhochlauf zügig weiter voranzutreiben. Und zu diesen Lösungen gehören Wasserstoffspeicher – ob Kavernen- oder Porenspeicher – zwingend dazu.

Wertschöpfung: Von der Erzeugung
bis zur Tankstelle

Von der Erzeugung mittels Elektrolyse über die Speicherung bis hin zur Nutzung des Wasserstoffs für Mobilität und Elektrizität bildet das Uniper-Projekt in Krummhörn einen großen Teil der Wertschöpfungskette einer wasserstoffbasierten Wirtschaft ab.

Hans-Joachim Polk
begann 1992 seine berufliche Laufbahn bei der RWE Dea AG, arbeitete unter anderem in Ägypten, Friedrichskoog, Norwegen und Großbritannien. Seit 2013 ist Polk Vorstandsmitglied der VNG AG und verantwortet die Bereiche Infrastruktur und Technik.
Doug Waters
leitet Uniper Energy Storage seit November 2020. Der Brite verfügt über jahrzehntelange Erfahrung im Energiesektor, hat in Europa und im Nahen Osten in diesem Bereich Erfahrung gesammelt.

Veröffentlicht: Juni 2025

Grafik: C3 Visual Lab

Text: Marcus Müntefering

Anzeige

Weitere Artikel

Feature
„Erdgas raus, Wasserstoff rein“

Im März dieses Jahres war es endlich soweit: Das erste Teilstück des künftigen Kernnetzes wurde mit Wasserstoff befüllt. Gesetzt hat diesen Meilenstein der Fernnetzbetreiber Gascade.

Mehr lesen
Schwerpunkt
Allianz der Willigen

Die Initiative Hydrogen Germany will die Wasserstoff-wirtschaft in Deutschland voranbringen. Auf der Hannover Messe präsentierte sie sich erstmals mit einem viel beachtetem Stand der Öffentlichkeit.

Mehr lesen
Im Gespräch
„Gasleitungen sind farbenblind“

Selina Breilmann vom Fernleitungsnetzbetreiber OGE und Marcus Böske von Energie Südbayern über den Aus- und Umbau der Gasnetze für den Transport von Wasserstoff in die Fläche.

Mehr lesen