In Deutschland entsteht ein 9.000 Kilometer langes Fernleitungsnetz für den H2-Transport. Das Unternehmen GASCADE Gastransport hat nun in Brandenburg den ersten Netzabschnitt mit Wasserstoff befüllt – ein Meilenstein für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.
An einer Absperrstation
südöstlich von Berlin hat GASCADE damit begonnen, die Erdgasleitung mit Wasserstoff zu befüllen.
Opale sind Edelsteine, die wegen ihres schimmernden Farbenspiels zu wertvollen Schmuckstücken verarbeitet werden. Das Akronym OPAL für die Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung erinnert zwar nur zufällig an diese kostbaren Steine, die Leitung hat aber durchaus das Zeug dazu, sich zu einem Juwel oder wenigstens zu einem wertvollen Baustein der deutschen Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln. Die OPAL verläuft von Lubmin bei Greifswald durch Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen bis an die Grenze zur Tschechischen Republik. Seit 2011 können jährlich bis zu 36 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch die 473 Kilometer lange Rohrleitung fließen. Die Verdichterstation Radeland südöstlich von Berlin teilt die OPAL in einen Nord- und einen Südstrang.
Was die Trasse für die künftige Wasserstoffversorgung so bedeutsam macht: Die OPAL-Nord und ein sich daran anschließender Abschnitt der JAGAL-Erdgasleitung von Radeland bis Bobbau nahe Bitterfeld, insgesamt fast 400 Kilometer, werden noch 2025 auf den Transport von Wasserstoff umgestellt. Die Umrüstung von bestehenden Fernleitungsnetzen ist zentral für den Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur für die Wasserstoffwirtschaft.Die Maßnahme gehört zum Programm „Flow – making hydrogen happen“, das der OPAL/JAGAL-Betreiber GASCADE mit seinen Partnern ONTRAS und terranets bw umsetzt. Mit Flow wollen die Unternehmen eine Nord-Süd-Transportroute für klimaneutralen Wasserstoff schaffen, die von Rostock bis Baden-Württemberg reicht. Geplante Fertigstellung: 2030. Bis dahin ist auch die Umstellung der OPAL-Süd geplant, die durch Sachsen ins angrenzende Tschechien führt. Rund 1.630 Kilometer wird das H2-Fernleitungsnetz des Programms „Flow – making hydrogen happen“ am Ende umfassen – und damit fast ein Fünftel des deutschen Wasserstoffkernnetzes, für das die Bundesnetzagentur im vergangenen Oktober den Weg freigemacht hat.
GASCADE betreibt ein rund 3.700 Kilometer langes Fernleitungsnetz, das die großen Verbrauchszentren in Deutschland und Europa mit Erdgas versorgt. Pro Jahr fließen mehr als 100 Milliarden Kubikmeter des Energieträgers durch die Leitungen des Unternehmens. Mit dem Programm „Flow – making hydrogen happen“ hat sich GASCADE vorgenommen, einen großen Teil davon für den Transport von Wasserstoff umzurüsten. Um die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland voranzutreiben, engagiert sich GASCADE außerdem als Partner in der Wirtschaftsallianz Hydrogen Germany, zu der sich über 30 Unternehmen und Verbände zusammengeschlossen haben. GASCADE ist eine Tochterfirma der SEFE Securing Energy for Europe GmbH. Der Hauptsitz ist in Kassel.
Einen wichtigen Meilenstein für das Flow-Programm – und für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland – hat GASCADE in diesem Frühjahr gesetzt: „Erdgas raus, Wasserstoff rein“ hieß es da für den ersten, 14 Kilometer langen Abschnitt der OPAL-Nord. Startpunkt war eine Absperrstation südöstlich von Berlin, die zu diesem Zweck zu einer Einfüllstation erweitert wurde. Üblicherweise befinden sich Absperrstationen alle 10 bis 18 Kilometer oberhalb einer Erdgastrasse, um Gas beispielsweise für Wartungsmaßnahmen abpumpen oder den Fluss in der Leitung unterbrechen zu können.
Erdgas raus, Wasserstoff rein – so einfach, wie das klingt, geht es aber nicht. Die Umstellung von Fernleitungsnetzen ist technisch herausfordernd und logistisch komplex. „Die OPAL ist als Importleitung für Erdgas errichtet worden“, erklärt Dr. Dirk Flandrich, der bei GASCADE das Programm Flow verantwortet. Aufgrund ihres Durchmessers von 1,40 Meter kann sie große Mengen Gas transportieren, das zudem durch Drücke von bis zu 100 Bar in den Rohren extrem komprimiert vorliegt. „Wasserstoff in eine so große Erdgasleitung zu pumpen – damit haben wir Neuland betreten“, sagt Flandrich. „In dieser Dimension hat das vor uns noch niemand gemacht.“
Bei der Umstellung des ersten Abschnitts bestand die Herausforderung vor allem darin, dass der Wasserstoff aus Lkw-Tanks in die Leitung gepumpt werden musste – also durch eine dünne Leitung mit kleiner Oberfläche in ein Rohr mit großem Durchmesser und großem Volumen. „Beim Wechsel von Erdgas zu Wasserstoff kam es darauf an, dass keine Verwirbelungen und Vermengungen entstehen“, erklärt Flandrich. Dafür musste der Druck im Leitungsrohr auf wenige Millibar gesenkt werden und der Wasserstoff mit gleichmäßigem Druck in das Rohr hineinströmen, sodass er die verbliebenen Mengen an Erdgas gewissermaßen vor sich herschob. Für das Verfahren holte sich GASCADE die Expertise von Unternehmen und Dienstleistern dazu, die Erfahrung mit der Versorgung von Industriekunden mit sogenannten technischen Gasen haben. „Und um auf Nummer sicher zu gehen, haben wir den Prozess ausführlich am Computer simuliert, bevor wir uns an die praktische Umsetzung gemacht haben.“
An der Absperrstation installierte GASCADE schließlich eine mobile Einspeiseanlage und einen Umpumpverdichter, „den größten, den ein 40-Tonnen-Lkw dorthin transportieren konnte“, wie Flandrich sagt. „Die Vorbereitungen brauchten mehrere Wochen“, erzählt er, „der Wechsel von Erdgas auf Wasserstoff in dem Abschnitt hat dann nur etwa sieben Stunden gedauert.“ Mit dem Ergebnis sei das Unternehmen sehr zufrieden. „Alles hat genauso funktioniert, wie es geplant war“, sagt der Programmleiter. Bis zum Sommer sollen – von Absperrstation zu Absperrstation – die weiteren Teilstücke bis zur Ostsee folgen, bis Ende des Jahres die Trasse Richtung Südwesten. „Die kommenden Abschnitte werden vom Prozess her unkomplizierter, weil wir jetzt ein mit Wasserstoff befülltes Rohr haben, von dem aus wir die nächsten Kilometer Leitung fluten können“, sagt Flandrich.
Allerdings: Grün, also klimafreundlich erzeugt, ist der Wasserstoff in dem Abschnitt und auch in den folgenden noch nicht. „Die dafür erforderlichen Mengen sind auf dem Markt einfach nicht verfügbar. Das ist aber nicht dramatisch, da die Füllmenge bei den aktuell niedrigen Drücken nur einen Bruchteil der zukünftigen Gesamtfüllmenge ausmacht“, erklärt Flandrich. Er ist zuversichtlich, dass bald nur noch klimafreundlicher Wasserstoff in das System eingespeist wird. Flandrich verweist vor allem auf geplante Elektrolyseanlagen in Lubmin und Rostock, in denen künftig Wasserstoff mittels erneuerbarer Energie erzeugt wird, aber auch auf eine Wasserstofferzeugung in den Regionen entlang der Trasse. „Da entstehen Produktionskapazitäten von vier bis sechs Gigawatt“, ergänzt er. Hinzu kämen potenziell Importe aus dem Ostseeraum, zum Beispiel aus Finnland. Das skandinavische Land plant, ab 2030 bis zu 23 Terawattstunden grünen Wasserstoff zu exportieren. Eine Rolle spielt hierbei der geplante Baltic Sea Hydrogen Collector (BHC), ein Offshore-Pipelinesystem, das die Westküste Finnlands mit der deutschen Ostseeküste bei Greifswald verbinden soll.
„Gerade bewegt sich auf vielen Ebenen eine Menge“, sagt Flandrich. Um dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft auch weiteren Schub zu verleihen, unterstützt GASCADE die Initiative Hydrogen Germany, in der sich mehr als 30 Unternehmen und Verbände für den Energieträger Wasserstoff engagieren. „Es ist wichtig, dieses Thema in der Politik und in der Öffentlichkeit zu verankern“, sagt Flandrich. Zuversichtlich erläutert er, dass GASCADE nach dem Start in der Nähe von Berlin wie geplant nach und nach weitere Abschnitte der OPAL mit Wasserstoff befüllt. „Unser Zeitplan steht“, sagt Flandrich. „Im Sommer erreichen wir die Ostsee.“
Rostock und Umgebung soll ein großer Standort für die Produktion von grünem Wasserstoff werden. Über eine neue Ferngasleitung soll er an die OPAL angeschlossen werden.
Lubmin In Lubmin errichtet unter anderem das Unternehmen H2APEX, ein assoziierter Partner im Programm Flow, eine Elektrolyseanlage mit bis zu 600 Megawatt Leistung. Die Region kann zudem ein wichtiger Importpunkt für Wasserstoff werden.
Radeland Die Verdichterstation Radeland teilt die OPAL in einen Nord- und einen Südstrang. Von Radeland aus zweigt die JAGAL (Jamal-Gas-Anbindungsleitung) Richtung Südwesten ab, durch die künftig Wasserstoff fließen soll.
Olbernhau Die OPAL Süd wird ab 2029 bis zur Grenze zur Tschechischen Republik in Olbernhau auf den Transport von Wasserstoff umgestellt.
Bobbau Von Bobbau aus kann die bestehende Erdgasleitung JAGAL auf Beschluss der Bundesnetzagentur nicht umgestellt werden. GASCADE plant hier den Neubau einer parallel verlaufenden Wasserstoffleitung bis Rückersdorf (Thüringen) parallel zur Erdgasleitung.
Rückersdorf Von der Verdichterstation Rückersdorf aus verläuft die STEGAL (Sachsen-Thüringen-Erdgas-Leitung) nach Westen. Sie soll bis Ende 2025 ebenfalls für Wasserstofftransporte umgewidmet werden.
Reckrod In Reckrod befindet sich eine weitere Verdichterstation. Hier mündet die STEGAL in die MIDAL (Mitte-Deutschland-Anbindungsleitung), in der künftig Wasserstoff nach Südwestdeutschland transportiert werden soll.
Lampertheim In Lampertheim soll ein Verteilknotenpunkt entstehen, von dem aus Wasserstoff in die Industrieregion Ludwigshafen und nach Karlsruhe geleitet wird. Dieser Abschnitt wird neu errichtet.
Veröffentlicht: Juni 2025
Grafik: C3 Visual Lab
Foto: GASCADE
Text: Ralf Mielke