Nachgehakt

„Pragmatismus statt Perfektionismus”

Dr. Hans Dieter Hermes ist Leiter des Wasserstoffbereichs von SEFE. Im Interview mit g – Das Gasmagazin erklärt er, warum sein Unternehmen sich bei der Initiative Hydrogen Germany engagiert und was es jetzt – auch seitens der neuen Bundesregierung – braucht, damit Deutschland international Vorreiter beim Thema Wasserstoff bleibt. 

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Herr Dr. Hermes, nachdem 2024 für den Wasserstoffhochlauf ein durchwachsenes Jahr war: Wie würden Sie die erste Hälfte des laufenden Jahrs beschreiben? Und was erwarten Sie für die zweite Hälfte?

Für das SEFE Wasserstoffteam hat 2025 gut begonnen: Wir haben bereits zwei Partnerschaften bekannt gegeben – mit Höegh Evi, einem Anbieter von maritimer Infrastruktur, und mit ACWA Power, einem Produzenten von grünem Wasserstoff. Dieses Jahr hat auch der zur SEFE gehörende Fernleitungsnetzbetreiber GASCADE begonnen, einen Teil seiner Pipelines für den Wasserstofftransport umzurüsten und zu befüllen. Wir werden dieses positive Momentum mit in das weitere Jahr nehmen, bestehende Kooperationen vorantreiben und weitere Partnerschaften schließen.

Für Deutschland erwarte ich, dass die neue Regierung den Markthochlauf effizient angeht, indem sie Investitionsbedingungen für die Wasserstoffwirtschaft erleichtert und sich auf Emissionsreduktion statt Farbenlehre konzentriert. Gerade in diesen Zeiten ist es essenziell, dass wir die Wirtschaft sicher mit sauberem Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Kosten versorgen. So können wir es schaffen, weiterhin ein starker Industriestandort zu bleiben und gleichzeitig die Klimaziele zu erreichen.

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Wo liegen aktuell die größten Hindernisse?

Der Erfolg des Wasserstoffhochlaufs ist maßgeblich von der Regulierung in Brüssel und Berlin abhängig. In Deutschland und Europa müssen wir pragmatischer werden und gute Regulierung als Chance und „Enabler“ sehen. Beim Wasserstoff wurde aber zu früh und zu detailliert reguliert, wodurch der Markt unnötig eingeengt wird. Es ist wichtig, den Raum für Entwicklungen zu vergrößern. Beispielsweise sollten sowohl die strengen Kriterien für erneuerbaren als auch für kohlenstoffarmen Wasserstoff überdacht und angepasst werden, sodass sie in der Praxis einfach anwendbar sind. Eine Vereinfachung der Regulierung und eine technologieoffene Förderung der Nachfrageseite sind entscheidend für den weiteren Erfolg.

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Und wie groß ist die Gefahr, dass Wasserstoff nur ein Versprechen bleibt?

Wasserstoff wird langfristig kommen, da er die Lösung für die Dekarbonisierung von Prozessen ist, die sich nicht elektrifizieren lassen und für die Moleküle gebraucht werden. Die entscheidende Frage ist jedoch, wann – und ob Deutschland seine Rolle als Vorreiter behaupten kann. Unsere Wettbewerber in Japan, Südkorea und Singapur gehen oft pragmatischer vor. Auch dort geht es nicht so schnell wie ursprünglich geplant, doch internationale Projekte blicken zunehmend nach Ostasien. Das sollten wir uns bewusst machen und unseren Partnern bessere Angebote unterbreiten.

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Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung?

Wir erwarten uns den Mut für mehr Pragmatismus statt Perfektionismus: Gemeinsam mit der neuen Bundesregierung und der neuen Europäischen Kommission muss es jetzt gelingen, schneller und einfacher in die Umsetzung zu kommen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, bei der Regulierung nachzusteuern und sie pragmatischer anzupassen, beispielsweise bei den Anforderungen für Wasserstoff. Denn: Gute Regulierung kann Kosten senken und dafür sorgen, dass sich der Markt frei entwickelt. Wir stehen beim Wasserstoff noch ganz am Anfang und müssen offen sein für alle Lösungen, die einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten können. Mithilfe kluger Regulierung kann Deutschland Vorreiter bleiben.  

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Deutschland wird aller Voraussicht nach Energieimporteur bleiben. Bei welchen Ländern sehen Sie Potenziale für eine intensivere Zusammenarbeit, was läuft schon gut, welche konkreten Projekte gibt es?

Günstige und saubere Energie ist essenziell, damit Deutschland zum „Dekarbonisierungsland“ wird und wir Wohlstand für den Wirtschaftsstandort sichern. Deshalb schließen wir Kooperationen mit internationalen Partnern wie ACWA Power in Saudi-Arabien sowie Eletrobras und EnerTech in Brasilien. Bei beiden Projekten streben wir an, ab 2030 je 200.000 Tonnen erneuerbaren Wasserstoff zu sehr wettbewerbsfähigen Kosten zu liefern.

In Brasilien handelt es sich um Elektrolyse auf Basis von Wasserkraft. Der Strom ist zu 100 Prozent erneuerbar und zugleich konstant verfügbar. Ein starker Zubau an Solarenergie hat in Brasilien dazu geführt, dass Wasserkraft frei wird. In Saudi-Arabien wiederum gibt es hervorragende Bedingungen für Solar- und Windkraft. Man bekommt also sehr günstig Strom, die Infrastruktur vor Ort ist gut, ebenso das industrielle Know-how und die Finanzierungsbedingungen. Deshalb sind wir davon überzeugt, damit die günstigsten erneuerbaren Moleküle für den europäischen und deutschen Markt anbieten zu können.

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SEFE ist Partner bei Hydrogen Germany. Wie kam es zur Bildung dieser Initiative und welchen Anteil hatte SEFE daran?

Deutschland braucht Wasserstoff als eine wichtige Säule, um bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden. Um den Markthochlauf zu beschleunigen und Risiken zu minimieren, müssen wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Deshalb ist es sinnvoll, die Kräfte der wichtigsten Wasserstoffakteure in Deutschland in einer Initiative zu bündeln. Jetzt ist die Zeit zu handeln, damit wir unsere Industrie mit bezahlbarem, sauberem Wasserstoff versorgen können. Gemeinsam können wir das schaffen. Deswegen ist SEFE Partner bei Hydrogen Germany.

„Wir stehen beim Wasserstoff noch ganz am Anfang und müssen offen für alle Lösungen sein.“

Dr. Hans Dieter Hermes

SEFE

SEFE ist ein internationales Energieunternehmen im Bundesbesitz, das entlang der gesamten Energie-Wertschöpfungskette tätig ist – von Beschaffung und Handel bis zu Vertrieb, Transport und Speicherung. Mit rund 200 TWh Gas und Strom jährlich und mehr als 50.000 Kunden zählt SEFE zu den führenden Versorgern in Europa. Das Unternehmen investiert in saubere Energien, insbesondere Wasserstoff, und beschäftigt weltweit rund 2.000 Mitarbeitende.

Mehr zu SEFEs Wasserstoffprojekten

Veröffentlicht: Juni 2025

Fotos: Moritz Peters


Interview: Marcus Müntefering

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